Viktoriastift

Das Viktoriastift, prächtiges Hofgut und späteres Kindererholungsheim, NSV-Müttergenesungsheim, Landesumschulungshof sowie Altenheim und Siechenhaus, lässt heute seinen früheren Glanz nur noch erahnen.
Die schlossartige, großzügige Dreiflügelanlage, wurde in den Jahren 1919 bis 1922 im neubarocken Stil erbaut. Das Bauwerk besteht aus zwei landwirtschaftlichen Zweckbauten, links eine große Scheune mit bergseits befahrbaren Hochtennen, rechts ein großes Verwaltungsgebäude mit ausgedehnten Stallungen und Schlachthaus, sowie das höher gelegene, alles überragende Herrenhaus. Das Herrenhaus vereinigt auf klassische Weise Stilelemente der Epoche des Historismus. Die Veranda misst mehrere hundert Quadratmeter. Eine Sandsteinbrüstung mit Blumenbecken und Vasenbekrönung zierte sie einst.
1926 kam die protestantische Kinderheilanstalt Viktoriastift in den Besitz des Anwesens. Das Kindererholungsheim verfügte über 80 Betten. Die Kinder waren in dem Herrenhaus und den zu diesen Zwecken umgebauten Nebengebäuden untergebracht. Terrassen mit Liegestühlen, Spielplätze, Parkanlagen und Waldwege dienten zur Durchführung einer Klima-Sonnenbehandlung. Buben und Mädchen waren in getrennten Häusern untergebracht.
Am zweiten Sonntag im September 1928 brannte das Verwaltungs- und Stallungsgebäude bei einem Großfeuer bis auf die Grundmauern nieder und wurde wieder aufgebaut. 1933 wurde das Kinderheim geschlossen.

Stattdessen wurde im Juni 1934 in der Villa ein NSV-Müttergenesungsheim eingerichtet. Im Obergeschoss des Verwaltungsgebäudes entstand ein Erholungsheim für circa 120 Kinder von Reichsbahnpersonal. Vor Beginn des Westfeldzuges diente das Stift kurzzeitig als Stabsquartier für durchziehende Truppenverbände und nach dem Zusammenbruch der Westfront als Auffanglager für die heimkehrenden Soldaten. Im Jahre 1943 folgte wieder ein Wechsel. Im Verwaltungsgebäude wurde ein Landesumschulungshof für junge Burschen eingerichtet, in dem diese bis 1957 in der Landwirtschaft angelernt wurden. Das Müttergenesungsheim im Herrenhaus wurde aufgelöst und in ein Altenheim und Siechenhaus verwandelt.

Im Jahre 1957 wurden die Wirtschaftsgebäude des Landesumschulungshofes wegen Unrentabilität geschlossen. Die landwirtschaftlichen Zweckbauten wurden schließlich für zwölf Jahre verpachtet. Die Beschäftigten wurden teilweise vom Pächter übernommen.
Ende 1971 wurde das Altenheim geschlossen. Grund war die Abgeschiedenheit Finkenbachs, die Kosten für die Erneuerung sanitärer Anlagen und die Bauunterhaltung sowie fehlendes Pflegepersonal.
1972 erfolgte die Veräußerung der Hofanlage in Privatbesitz. Ab der Zeit als das Bauwerk in Privatbesitz gelangte, ging es sichtlich abwärts. Verschiedene Pläne scheiterten immer wieder wegen Mangel an Investoren oder Uneinigkeiten zwischen den verschiedenen Eigentümern. 1977 wurde ein Abrissantrag gestellt.
Die seit 1993 als Denkmalzone unter Schutz stehenden Gebäude sollten restauriert werden. Im Winter 1996 hatte ein Miteigentümer Notreparaturen durchführen lassen, seitdem verfällt das Bauwerk. Im Innern der Villa wurden die neubarocken Säulen durch mutwilligen Ausbruch der beiden Stützbalken am Kapitell stark beschädigt. Die Stuckdecke wurde herunter geschlagen, Fliesen von den Wänden geklopft, sanitäre Anlagen und Wasserleitungen aus den Wänden gerissen. Die Decken sind durchnässt und drohen herunter zu brechen. Der Treppenaufgang zum Herrenhaus ist zerstört. Ende Dezember 2002 stürzte das Dach des Wirtschafts- und Stallungsgebäudes zum Großteil ein. Im Oktober 2003 folgte eine Notsicherung des Anwesens durch die Besitzer. Seit Anfang 2005 droht die Scheune ein zu stürzen.

urbexfaktor-0